Die Autobranche ist schon seit über 100 Jahren ein wichtiger Bestandteil der europäischen Industrielandschaft. Ihren bisher größten Wandel erlebt sie jetzt. Zum einen gibt es heute mehr E-Fahrzeuge und smarte Features als je zuvor. Zum anderen hat sich das Konzept Mobilität durch Mitfahrgelegenheiten und private Taxidienste wie Uber & Co. enorm verändert.
Die Zahl der in der EU 2023 neu zugelassenen Autos ist im Vorjahresvergleich um 13,9 % gestiegen. E-Autos haben inzwischen einen Marktanteil von 14,6 %. Die gesteigerte Nachfrage bringt immer wieder neue Aufgaben mit sich. Automobilhersteller und Lieferanten sehen sich mit Ausfällen in globalen Lieferketten, wirtschaftlicher Unsicherheit und Gesetzesänderungen konfrontiert. Das hat Auswirkungen auf die Rentabilität, Stabilität und aufs künftige Wachstum auswirkt.
In diesem Beitrag sprechen wir über einige dieser Herausforderungen und wie eine solide Beschaffungsstrategie dabei helfen kann, sie zu lösen.
Was sind die aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie?
Ob Ihr Unternehmen selbst Fahrzeuge herstellt, an technologischen Verbesserungen im Automobilsektor arbeitet oder Teile zuliefert: Sie sind wahrscheinlich schon mit einigen der Herausforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Technologie, Wirtschaft und Gesetzeslage vertraut.
Nachhaltigkeit
Nicht nur die Vorlieben der Verbraucher*innen, sondern auch deren Erwartungen an ihre Autos haben sich verändert: Nachhaltigkeit, ausgefeiltere technische Ausstattungen und Mobilitätsdienste rücken immer mehr in den Vordergrund. Die meisten Unternehmen sind angesichts dessen bestrebt, umweltfreundlichere Fahrzeuge herstellen und ihren eigenen CO2-Fußabdruck verringern. Das reicht von der Nutzung recycelter Materialien bis hin zur Einführung umweltfreundlicherer Produktionsmethoden.
Technologie
Einkaufsleiter*innen brauchen innovative Lösungen, um neuen Entwicklungen offen zu begegnen, Lieferausfälle zu vermeiden und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehören beispielsweise ein optimiertes Bestandsmanagement, individuelle Produktanpassungen oder schnellere Lieferzeiten.
Laut Forbes ist für 2024 mit einem Anstieg der E-Fahrzeugverkäufe zu rechnen, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in den vergangenen Jahren. Mit der Nachfrage steigt auch der Entwicklungs- und Innovationsdruck - und damit Kosten für Forschung und Investitionen in neue Infrastrukturen. Ganz abgesehen davon werden E-Fahrzeuge aus unterschiedlicher Motivation mit Hochdruck vermarktet. Die gute Nachricht: 2024 kann mit einer deutlichen Zunahme an Ladestationen und Weiterentwicklungen in der Autobatterietechnologie gerechnet werden.
Auch die generative KI verändert den Automobilsektor in den Bereichen Fertigung, Qualitätskontrolle und Fahrerlebnis. Führende Autohersteller nutzen generative KI bereits für Fahrdesign, Sprach- und Fahrassistenten und mehr. Diese neuen Funktionen werfen allerdings komplexe Fragen in Bezug auf Datenschutz, Cybersicherheit, Informationsgenauigkeit und Compliance auf.
Wirtschaft
Sowohl die Produktion als auch der Verkauf von Autos wurden zuletzt stark vom weltweiten Wirtschaftsabschwung und der Volatilität am Markt beeinflusst. Gerade in Europa sind Hersteller von hohen Produktionspreisen, Fachkräftemangel und steigenden Energiepreisen betroffen. Automobilhersteller und Lieferanten erholen sich noch immer von den weitverbreiteten Lieferkettenausfällen, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurden. Und die fehlenden Lagerbestände machen sich auch bei den Neuwagenpreisen bemerkbar.
So konnte sich China durch seine wettbewerbsfähigen Preise, moderne Batterietechnologie und die weltweit steigende Beliebtheit chinesischer Automarken als Big Player in der E-Mobilität etablieren und 12 % des europäischen Marktes für sich gewinnen.
Gesetzeslage
Auch einige Länderregierungen versuchen die Verbraucher*innen durch Anreize dazu zu bewegen, mehr Elektrofahrzeuge zu kaufen und die Autoindustrie dahingehend zu mobilisieren, emissionsfreie Fahrzeuge herzustellen. Im März 2023 verabschiedete der EU-Rat eine Verordnung zur Festlegung strengerer CO2-Emissionsnormen für neue Autos und Transporter. Dadurch soll die Umweltverschmutzung durch den Straßenverkehr verringert und die Automobilbranche motiviert werden, emissionsfrei zu produzieren und dabei Innovationen voranzutreiben. Doch nicht alle Hersteller sind für die nötigen Produktionsumstellungen gewappnet.
Auch Handels- und Zollpolitik spielt hier eine wichtige Rolle: So führten die Auswirkungen der Brexit-Verhandlungen auf die britische Autoindustrie beispielsweise dazu, dass drei der weltweit größten Hersteller die britische Regierung zu Neuverhandlungen des Brexit-Abkommens aufforderten. Das Abkommen sieht nämlich vor, dass 45 % der Fahrzeugteile (nach Wert berechnet) aus dem Vereinigten Königreich oder der EU stammen müssen. Ansonsten gilt eine Exportsteuer über den Ärmelkanal von 10 %. Derartig hohe Strafzölle können so einschneidend sein, dass Hersteller ihre gesamte Lieferkette überdenken müssen.
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Wie trägt die Beschaffung aus strategischer Sicht zur Bewältigung dieser Herausforderungen bei?
Um die damit einhergehenden Herausforderungen zu meistern, ist die Beschaffung eine wichtige Stellschraube für viele Autohersteller und Lieferanten. Ein strategischer Beschaffungsansatz kann Herstellern dabei helfen, wirtschaftliche Unsicherheiten, gesetzliche Veränderungen, ein hohes Wettbewerbsaufkommen, Ausfälle in der Lieferkette und den technisch komplexen Übergang zu E-Fahrzeugen zu meistern.
Sehen wir uns an, wie Beschaffungsexpert*innen ihre Aufgaben mithilfe moderner Technologien neu definieren können. Mit einem agileren Ansatz in Bezug aufs Lieferkettenmanagement, bei dem kontinuierliche Lernprozesse, Zusammenarbeit und Innovation im Mittelpunkt stehen, kann der Einkauf dem Unternehmen bei vielen Herausforderungen der Branche helfen.
1. Strategische Beschaffung und Kostenmanagement
Eine strategische Beschaffung ist der erste Schritt im Umgang mit komplexen Lieferketten, bei denen Qualität und Kosten eine wichtige Rolle spielen. Mit einer großen Auswahl an Lieferanten aus verschiedenen Ländern und Regionen sowie einer systematischen Lieferantenbewertung, können Sie Kosten und Risiken, die sich aus Marktschwankungen ergeben, besser ausgleichen.
Viele Autohersteller beschränken sich auf wenige Lieferanten bzw. Automobilzulieferer, in der Hoffnung, auch Ausfälle in ihrer Lieferkette auf ein Minimum beschränken zu können. Gleichzeitig wird bei diesem Ansatz oft eine niedrige Preispolitik verfolgt, weshalb Produkte aus aller Welt bezogen werden. Doch eine größere Anbietervielfalt sowie die Suche nach Lieferanten in der Nähe des eigenen Standorts sorgen für mehr Flexibilität bei der Beschaffung und verringern so das Risiko von starken Preisschwankungen.
2. Rechtliche Vorschriften und Compliance
Autohersteller sind dafür verantwortlich, sich mit den strengen Emissionsvorschriften und deren Einhaltung bei der Beschaffung von Materialien und Komponenten auseinanderzusetzen. Wenn Sie aber gleich bei Lieferanten einkaufen, die diese Standards bereits erfüllen und entsprechende Tools zur nachhaltigen Beschaffung nutzen, wird Ihnen ein Großteil der Arbeit abgenommen.
Unsere Beschaffungsplattform bietet Ihnen die Möglichkeit, bei geprüften Lieferanten einzukaufen, die unsere hohen Standards erfüllen. Mit den praktischen Filteroptionen können Sie außerdem schnell und einfach nach bestimmten Nachhaltigkeitskriterien auswählen.
3. Nachhaltigkeit und ethische Beschaffungsmaßnahmen
Mit der unaufhaltsamen Nachfrage nach E-Fahrzeugen wird es umso wichtiger, Lieferketten nach Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Die Beschaffung von Autobatterien und anderen Komponenten für elektrische Fahrzeuge wird nun zentrale Aufgabe des Einkaufs. Aber auch indirekte Bedarfe wie IT-Ausrüstung für den Betriebsalltag gehören dazu. Ein strategischer Ansatz sollte jedoch darüber hinausgehen mit dem Ziel, langfristige Verträge für die Produktion hochwertiger und nachhaltig hergestellter Fahrzeugteile zu schließen.
Es geht darum, durch den Ausbau geschlossener Lieferketten, von denen alle Stakeholder profitieren, Mehrwert zu schaffen. Beschaffungsteams müssen hier ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und unternehmerischem Denken herstellen. Wenn Sie bereit sind, neue Lieferanten, Materialien und Technologien zu entdecken, verschaffen Sie sich einen klaren Wettbewerbsvorteil und eröffnen neue Innovationsmöglichkeiten.
4. Starke Lieferantenbeziehungen
Als Reaktion auf die durch die Pandemie verursachten Ausfälle in der Lieferkette haben viele Automobilhersteller ihr Lieferantenmanagement angepasst. So haben sie beispielsweise strengere Prozesse zur Überwachung und Bewertung der finanziellen Gesundheit und Betriebsstabilität ihrer Lieferanten eingeführt, um zu gewährleisten, dass diese möglichst schnell auf potenzielle Störungen reagieren können.
Mit strukturierten Strategien zur Kategorisierung und Beschaffung von Produkten, fortschrittlichen Verhandlungsmodellen und datenbasierter Entscheidungsfindungsmethoden kann die Beschaffung im gesamten Unternehmen verbessert werden. ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) helfen beispielsweise beim Aufbau von Lieferantendatenbanken und Portalen für E-Ausschreibungen und Vergabeauktionen.
Mit guten Lieferantenbeziehungen lassen sich Best Practices in Ihrer gesamten Lieferkette besser durchsetzen und kostengünstige Neuverhandlungen arrangieren. Deshalb spielt die Pflege Ihrer Lieferantenbeziehungen sowie eine entsprechende Investition in die Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden eine wichtige Rolle. Mit digitalen Tools zur Echtzeitüberwachung und Prozessautomatisierung sorgen Sie für mehr Transparenz und tragen dazu bei, Störungen in Ihrer Lieferkette zu vermeiden bzw. besser mit deren Auswirkungen umgehen zu können.
5. Innovation durch die Zusammenarbeit mit Lieferanten
Ein ganzheitlicher Ansatz für Ihre Lieferkette, zu der auch eine enge Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten gehört, bringt Ihnen einige Vorteile: Zum einen können Sie dadurch gemeinsam Ihre Prozesse in der Produktion, Qualitätskontrolle und Logistik optimieren. Außerdem fördern Sie so regelmäßigen Informationsaustausch und wissen genau, was Sie von Ihren Lieferanten erwarten können und Ihre Anforderungen auch verstanden werden.
Zum anderen kann eine solche Zusammenarbeit zu neuen Ideen und bahnbrechenden Technologien führen wie zum Beispiel in der Entwicklung von Batterien für Elektrofahrzeuge, autonomes Fahren, digitale Dienste oder etwas, an das bisher noch niemand gedacht hat. Solche Entwicklungen können nämlich schnell zu lukrativen Unterscheidungsmerkmalen für Autohersteller werden. Es lohnt sich also, am Puls der Zeit zu bleiben.
Beschaffung als Dreh- und Angelpunkt
Von Ausfällen in der Lieferkette bis hin zu neuen Gesetzen, erlebt der Automobilsektor derzeit große Veränderungen. Hersteller können es sich nicht leisten, die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Stattdessen müssen sie den neuen Normalzustand akzeptieren und mit den Herausforderungen der Branche bestmöglich umgehen. Dazu gehört allen voran ein effizientes Beschaffungswesen.
Einen agileren Ansatz einzuführen, der Ihre Beschaffung in den Mittelpunkt stellt und dafür sorgt, dass Entscheidungen aus gezielten Strategien entstehen, ist eine große Umstellung. Doch wenn Sie Ihren Fokus auf Innovation, Zusammenarbeit und eine nachhaltige Lieferkette sowie den richtigen Prozessen und Tools zur Umsetzung dieser Strategie lenken, ist eine solche Umstellung durchaus machbar.
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